by Mira – nachhaltig Leben und Genießen

Nachhaltig Leben: Gewissensbisse zum Frühstück

Es ist 5.30 Uhr, der Wecker klingelt. Ich drehe mich zur Seite, schalte den Wecker ab und verfalle noch mal in Tiefschlaf. Es ist 5.45 Uhr, der Wecker klingelt erneut. Ich drehe mich zur Seite, schalte den Wecker aus und stehe auf.

Mit zugeknifften Augen schlurfe ich durch die noch dunkle Wohnung Richtung Badezimmer. Erst mal aufs Klo. Ich reiße mir zwei Streifen recyceltes, ungebleichtes Klopapier runter und dann – verdammt – habe ich auch schon die Spülung betätigt. Dabei hatte ich mir fest vorgenommen, nicht mehr so oft zu spülen um Wasser und Strom zu sparen. Wusstet ihr das bei einem Spülkasten im Wassersparmodus alleine 6 Liter pro Geschäft in den Abfluss rinnen? Das ist doch verrückt, und so startet bereits der frühe Morgen mit einem schlechten Gewissen.

Das öko Badezimmer – mit Ausreißer

Angekommen im Badezimmer hole ich meine elektronische Zahnbürste hervor, die 24 Stunden am Strom hängt, weil die Batterie leider nicht mehr so gut funktioniert. Ich tunke meine nasse Zahnbürste in ein Glas mit natürlicher Zahnkreide und versuche meine Zähne grausigen Geschmack zu befreien, der sich über Nacht wieder angesammelt hat.

Im Sommer schlaf‘ ich nackt, das ist nachhaltig, hab ich gelesen, denn dadurch braucht man nicht so viel Wäsche waschen. Auch bevor ich das gewusst habe, habe ich nackt geschlafen, jetzt habe ich also eine „nachhaltige Ausrede“ dafür. Ich muss mir also nichts weiteres ausziehen und hüpfe unter die Dusche.

Erst wenn das Wasser brennend heiß ist kann ich richtig in den Tag starten. Vielleicht liegt das daran, dass ich trotz Hochsommer dennoch halb erfroren aus dem Bett komme, weil ich eben nackt geschlafen habe. Ich nehme mir einen Block orange Seife, um genau zu sein: festes Shampoo von einer veganen Kosmetikmarke, die ich zum Geburtstag geschenkt bekommen habe. Zwei Mal shampoonieren und gut ausspülen, anschließend kippe ich mir mit einem Emaille-Behälter eine Mischung aus kaltem Wasser, Essig und Lavendel Öl über den Kopf – Saure Rinse nennt sich das, lässt die Haare glänzen und macht mich endlich wach.

Für die restliche Reinigung schnapp ich mir die Aleppo Seife die schon seit einem halben Jahr dort liegt und nicht weniger werden will, obwohl sie täglich mindestens zweimal in Benutzung ist. Ich seife mich ein und greife dann zum Einwegrasierer aus Plastik um mir die Stoppeln unter den Achseln weg zu machen. Ja, die sind besonders lästig und der Rasierer auch. Seit Jahren will ich mir einen Mehrwegrasierer aus Metall kaufen und nie habe ich mich drüber getraut. Ist es die Angst vor einem Fehlkauf? Die Angst, mich damit zu verletzten? Oder einfach nur Faulheit? Frag mich nicht, aber glaub mir, ich habe jedes Mal ein schlechtes Gewissen, wenn ich mir die Einwegrasierer im Familienpack kaufe.

Glas oder Plastik – das ist hier die Frage

Ich steige aus der Dusche und trockne mich mit dem härtesten und wohl grindigsten Handtuch der Welt ab. Seit ich vor neun Jahren ausgezogen bin, hab ich mir keine neuen Handtücher mehr gekauft – sie erfüllen noch immer ihren Zweck. Gewaschen werden sie mit umweltverträglichem Waschmittel Pulver und anschließend – genauso wie meine Haare – mit Essig gespült. Die Härte stört mich nicht. Ich seh‘ es positiv: Gut gegen Orangen-Haut und für die Durchblutung.

Mein Gesicht creme ich mir mit Aloe Vera von einer Naturkosmetikmarke ein. Mein Körper wird anschließend mit einer Bio-Bodylotion mit Feuchtigkeit versorgt. Das ist die erste Bodylotion seit zwei Jahren. Eigentlich bin ich schon längst auf Jojoba-Öl umgestiegen, aber bei meinem letzten Einkauf hatte ich plötzlich Gewissensbisse. Ist Jojoba-Öl wirklich nachhaltiger als die Bodylotion von einer Naturkosmetik Marke? Das Jojoba-Öl ist teuer, außerdem ist es nicht einmal Bio-Zertifiziert und es kommt in einer Glasflasche daher. Bis vor einigen Monaten, war genau das der Grund umzusteigen, denn Plastikverpackungen sollten doch auf jeden Fall gemieden werden. Aber ist das wirklich so? In meinen letzten Recherchen schnitt Plastik viel besser ab, als Glas. Irgendwie will ich das nicht glauben und so plagt mich das Gewissen, aber auch die Unsicherheit, beim Eincremen meiner Beine.

Capsule Wardrobe – oder so ähnlich

Ich schlüpf in den Bademantel und gehe ins Schlafzimmer zum Kleiderkasten. Er geht fast über. Zu meiner Verteidigung: ich teile mir den Kasten mit meinem Freund, trotzdem ist mein Teil des Schranks wesentlich voller als seiner. Ich sammle seit Jahren Kleidung von Flohmärkten, Kleidertauschparties, Secondhand Läden und aus dem Kleiderschrank meiner Mama.

Dennoch habe ich kaum etwas das ich zur Arbeit anziehen kann. Schulter bedeckt, mindestens Knielang, nicht transparent und kein Band-Shirt – Ja da ist die Auswahl nicht so groß. Also habe ich genau drei Outfits die ich jedes Mal aufs neue für die Arbeit raus hole, weil es ist im Prinzip eh egal ist was ich dort anhabe. Ich streif mir also ein schwarzes Shirt mit Blümchen Muster, dass ich aus dem Kleiderschrank meiner Mama habe, über, dazu kommt eine Culotte, die fair und nachhaltig produziert wurde, aber dessen Gummisaum nach zwei Jahren tragen, leider nicht mehr hält was er verspricht und fertig ist mein Outfit of the Day.

Das vegane Bio-Frühstück

Ich schaffe es nun endlich in die Küche, stelle einen Topf auf die Herdplatte und gebe dort vier Esslöffel Hafer und etwas Wasser hinein. 4 Esslöffel haben sich als richtig erwiesen, nicht mehr nicht weniger. Genau so viel um satt zu werden und nicht zu viel das was übrig bleibt. In einer Emaille Schüssel rühre ich einen Esslöffel Hanfprotein und einen halben Teelöffel Kurkuma mit etwas Wasser zusammen, dann kommt etwas schwarzer Pfeffer hinzu, damit das Kurkuma ihre Wirkung entfalten kann. Hanfproteine nehme ich seit einem halben Jahr, da habe ich mir plötzlich aus irgendeinem Grund eingebildet, dass ich mehr Proteine zu mir nehmen sollte. Ob das tatsächlich stimmt: I have no idea. Zu dem Gemisch schneide ich eine Banane – die möchte ich mir schon seit Jahren abgewöhnen. Weil: schlechte Umwelt Bilanz, sowieso jedes Obst oder Gemüse, das aus Übersee kommt. Stattdessen möchte ich lieber regionales Obst kaufen, aber Äpfel machen eben nicht so satt wie Bananen, zumindest bilde ich mir das ein und außerdem geht Banane schneiden viel einfacher als Apfel schneiden.

Dazu kippe ich mir eine Handvoll gefrorene Heidelbeeren dazu. Die sollen nämlich auch äußerst gesund sein. Das ganze wird getoppt mit ein paar Sonnenblumenkernen und Leinsamen, natürlich alles Bio. Dann kommt der heiße Haferbrei oben drauf und ein Teelöffel Mandelmus. Ich muss zugeben, normalerweise kaufe ich das Mandelmus, wo fett „mit Mandeln aus Italien“ drauf steht. Diesmal habe ich es leider nicht zum Bio-Supermarkt geschafft und habe stattdessen einfach nur „Mandelmus“ gekauft. Wo die Mandeln wohl herkommen? Vermutlich aus Kalifornien, wo eh schon Wasserknappheit herrscht, dabei brauchen gerade Mandeln enorm viel Wasser um zu gedeihen – um genau zu sein mehr als 10 000 Liter für einen  Kilo. Das ist schon verrückt.

Anschließend mache ich Kaffee in meiner neuen alten Gastro Pack. Eine hoch professionelle Kaffeemaschine, die meine Eltern am Flohmarkt aus zweiter Hand gekauft haben und die nun fast ein Jahr lang in Reparatur verbracht hat. Der Kaffee ist  natürlich fair und Bio.

Die gute Balance aus Natur und Chemie im Gesicht

Ich stell mein Frühstück zum abkühlen auf den Tisch und verschwinde daweil wieder im Badezimmer. Dort creme ich mir mein Gesicht mit nach Kakao riechender Foundation von einer hochpreisigen Naturkosmetikmarke ein. Anschließend versuche ich meine Augenringe mit einem noch teureren Concealer einer anderen Naturkosmetikmarke zu überdecken – erfolglos. Die nicht vorhandenen Augenbrauen werden mit dem kleinen Augenbrauenstift Stummel einer normalen Kosmetikfirma (die zumindest vegan ist) aufgefüllt. Ich habe eigentlich auch einen Augenbrauenstift von einer Naturkosmetikmarke, für den ich erst letztens 16€ hingelegt habe, aber komischerweise sind Sprüche wie „Hey, malst du dir deine Augenbrauen auf?“ dann immer häufiger geworden – also zurück zum Augenbrauenstift-Stummel.

Auch die Wimpern werden mit der selben Marke getuscht, denn durch Schlupflieder und super sensible Augen, kann für nichts garantiert werden, da bin ich schon oft als Pandabär am Abend heimgekommen, wenn ich wieder mal eine neue Naturkosmetikmarke ausprobiert habe. Etwas Bronzer noch auf die Wangen, auch hier handelt es sich um ein herkömmliches Produkt, welches schon seit dem Jahre Schnee mein Badezimmer bewohnt. Ein paar Ohrringe rein und fertig ist das Gesicht.

Endlich Essen und Quality Time

Ich setze mich zum Frühstück, esse Haferbrei, schlürfe Kaffee und schmeiße mir zwischendurch noch Vitamin D3 (täglich), Vitamin B12 (einmal die Woche) und Eisen Präparat (drei Mal im Monat) mit genügend Flüssigkeit in meinen Magen. So fühlt man sich Fit als Veganerin, obwohl ich ehrlich keinen Unterschied merke, seit ich die Dinger nehme. Beim Frühstück ist es auch das erste Mal, dass ich aufs Handy blicke (abgesehen vom Wecker). Ich scrolle durch Instagram, Facebook und schau mir die neuesten Meldungen auf einer hiesigen Nachrichten App an.

Mein Tag beginnt also mit News zu Klimawandel, Debatten ob nun Radfahrer oder Autos auf die Straße gehören, Diskussionen über Fluggesellschaften und ob die was gegen den Klimawandel tun, Berichte von den heißesten Tagen seit der Aufzeichnung des Klimas und Satellitenbildern von der Abholzung des Regenwaldes. Auf Social Media begegnen mir hingegen tanzende junge Frauen in Unterwäsche, Influencer-Werbung zu Haarshampoo von einer Firma die zu L’Oreal gehört, aber die jetzt eh voll auf Öko tun – also alles gut –  AktivistInnen, die erklären, dass sie nur noch mit Veganern den Tisch teilen und dann wieder fröhliche Gesichter, die einen versuchen mit Hoffnung und positiver Energie zu überfallen. Immer wieder bekomme ich gesagt, dass ich gut genug bin, und mein Körper toll ist genauso wie er ist. Okay danke.

Zeit für das Jausen-Brot

Ich leg das Handy zur Seite, lass mein Geschirr stehen wo es ist, was meinen Freund später ärgern wird. In der Küche bereite ich mir noch schnell meine Jause für die Arbeit vor. Eine dicke Scheibe selbst gebackenes Brot (okay, eigentlich bäckt unsere Brotbackmaschiene), ein veganer Aufstrich auf Sonnenblumenkern-Basis aus dem Glas – und wieder packt mich die Frage: Na, ist denn nun Plastik oder Glas nachhaltiger? – drauf kommen noch ein paar Scheiben geräucherter Bio-Tofu, ein dünn geschnittenes Bio-Radieschen und ein Blatt Bio-Salat. Das ganze wickle ich in einem mittlerweile ziemlich grindigen Bienenwachstuch ein, und leg es in eine Metallbox. Dort kommen dann noch kleine Bio-Tomaten, Bio-Paprika und ein paar Scheiben Bio-Kohlrabi aus dem Bio-Gemüsekistel, das wir jede Woche vor die Haustüre geliefert bekommen, dazu. Fertig ist die Jause.

Okay, let’s start the day

Bevor ich aus dem Haus gehe, suche ich noch mal die Toilette auf. Wieder zwei Streifen ungebleichtes Recycling-Papier und dann verlasse ich ohne zu Spülen die ToiletteErfolg! Aber ob das Urin bereits zu stinken beginnt, wenn mein Freund in die Arbeit muss? Brauche ich dann nicht noch mehr umweltschädliche Putzmittel, um den Geruch oder die gelbe Verfärbung weg zubekommen?

Ich packe noch meine 800 Milliliter Mehrwegflasche aus Edelstahl ein, ziehe mir meine Birkenstock Sandalen an – ja die sind leider aus Leder – und verlasse das Haus. Mit Musik in den Ohren spaziere ich zur nächsten U-Bahn Station und genieß‘ die frühen Sonnenstrahlen.

Der Tag hat noch nicht einmal richtig begonnen, die volle Wucht der Öko-Probleme sind aber bereits auf mich herunter geprasselt. Zwischen schlechtem Gewissen, Euphorie, Halbwissen und guter Recherche versuche ich jeden Tag meinen nachhaltigen Alltag zu meistern. Mit bestem Wissen und Gewissen für die Umwelt eben. Denn Stillstand ist eben auch keine Lösung. Perfekt ist niemand und Fehler macht jeder, das tolle dabei ist, dass man durch diese wächst und Veränderungen herbei bringen kann. Oder um es mit den Worten von Kathrin Hartmann zu sagen:

„Wenn man nichts mehr ändern kann, wird man distanziert, wird der Pluralismus zur Zuschauerdemokratie, bei der sich der Bürger au die letzten Ränge zurück zieht und zu dem Schauspiel, das sich ihm bittet, höchstens noch zustimmend nickt oder, öfter noch, resigniert den Kopf schüttelt, in der Annahme, seine Meinung zähle ja doch nicht.“ (Hartmann, Aus kontrolliertem Raubbau, 384)

Daher: Scheiß‘ auf richtig oder falsch. Informier‘ dich, bleib offen für neue Ideen und Konzepte, mach das, was in deinem Ermessen ist. Wenn du von schlechtem Gewissen überrascht wirst, dann versuch dran zu arbeiten. Das muss nicht von einem auf den anderen Tag sein, das braucht Zeit. Oder lerne es zu akzeptieren. Steh für Veränderung und für Klimaschutz, wenn es dir wichtig ist und steh‘ zu dem was du tust!

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2 comments so far.

2 Antworten zu “Nachhaltig Leben: Gewissensbisse zum Frühstück”

  1. Babsi sagt:

    Ein sehr schöner Beitrag über die hürden des Alltags, wenn man sich persönlich einem so wichtigen Thema widmet. Dankeschön! 🙂

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